Inhalt
RIMVYDAS PETRAUSKAS / WERNER PARAVICINI / GRISCHA VERCAMER
Vorwort.............................................................................................................................
9
I. OSTMITTELEUROPA AN DER WENDE
VOM 14. ZUM 15. JAHRHUNDERT
MARTIN KINTZINGER
Perspektivenwechsel. Internationale Beziehungen zwischen West- und Osteuropa
im Spätmittelalter .............................................................................................................
13
THOMAS WÜNSCH
Paulus Wladimiri und die Genese des „realistischen Denkens“ in der Lehre von den
internationalen Beziehungen: Der Krieg zwischen Polen und dem Deutschen Orden
als Stimulus für ein neues politiktheoretisches Paradigma ..............................................
27
STEPHEN C. ROWELL
The Grand Duchy of Lithuania and the Beginning of the Union with Poland:
the Background of Grunwald ...........................................................................................
43
ARTŪRAS DUBONIS
Das Grenzgebiet zwischen Litauen und dem Deutschen Orden: soziale, wirtschaftliche,
administrative, ethnische und kulturelle Kommunikation in den Jahren 1290–1422 ...... 53
II. KRIEGFÜHRUNG IM SPÄTEN MITTELALTER
PHILIPPE CONTAMINE
Die Schlacht im Abendland am Ende des Mittelalters: Vorstellung, Kampfhandlung,
Bericht, Bild und Erinnerung ...........................................................................................
70
HANS-HENNING KORTÜM
Die Tannenbergschlacht im Kontext der spätmittelalterlichen
Kriegs- bzw. Schlachtgeschichte ......................................................................................
89
MALTE PRIETZEL
Veränderungen in der spätmittelalterlichen Kriegführung ............................................... 103
6
Inhalt
JÜRGEN SARNOWSKY
Wirtschaftliche Aspekte der Geschichte der Kriege am Beginn des 15. Jahrhunderts ..... 123
UWE TRESP
Söldner aus den Ländern der Böhmischen Krone in den Kriegen zwischen
dem Deutschen Orden und Polen-Litauen zu Beginn des 15. Jahrhunderts ..................... 135
DARIUS BARONAS
Der Kontext der litauischen Kriegskunst des 13. Jahrhunderts und die militärischen
Innovationen von der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bis zum Beginn
des 15. Jahrhunderts .......................................................................................................... 159
GRISCHA VERCAMER
Die Freien im Deutschordensland Preußen als militärischer Rückhalt
Ende des 14.-Anfang des 15. Jahrhunderts ....................................................................... 175
SŁAWOMIR JÓŹWIAK
Spionage zur Zeit des polnisch-litauischen Krieges gegen den
Deutschen Orden 1409-1411 ............................................................................................ 191
III. FORMEN FRIEDLICHER BEZIEHUNGEN
KLAUS NEITMANN
Vom „ewigen Frieden“. Die Kunst des Friedensschlusses zwischen dem
Deutschen Orden und Polen-Litauen 1398-1435 .............................................................. 201
JEAN-MARIE MOEGLIN
Krieg und Vermittlungsverfahren in Europa in den letzten Jahrhunderten
des Mittelalters .................................................................................................................. 211
ADAM SZWEDA
Polen und der Deutsche Orden – Botenwesen und friedliche Verhandlungen ................. 223
RIMVYDAS PETRAUSKAS
Litauen und der Deutsche Orden: vom Feind zum Verbündeten ..................................... 237
WERNER PARAVICINI
Litauer: vom heidnischen Gegner zum adligen Standesgenossen .................................... 253
Inhalt
7
IV. DIE SCHLACHT VON TANNENBERG/GRUNWALD/ŽALGIRIS
SVEN EKDAHL
Quellenaussagen über die Taktik in der Tannenbergschlacht .......................................... 285
KLAUS MILITZER
Kommunikations- und Verständigungsprobleme vor und nach der Schlacht
bei Tannenberg ................................................................................................................. 301
V. ERINNERUNGEN AN DIE SCHLACHT VON
TANNENBERG/GRUNWALD/ŽALGIRIS
HENADZ SAHANOVIČ
Tannenberg und die ostslawische orthodoxe Welt ........................................................... 309
ALVYDAS NIKŽENTAITIS
Internationales Gedenken an die Schlacht bei Tannenberg .............................................. 321
WERNER PARAVICINI
Schlusswort....................................................................................................................... 329
Autorenliste ...................................................................................................................... 341
Deutsch-polnische Ortsnamen .......................................................................................... 343
Register ............................................................................................................................. 345
Die Freien im Deutschordensland Preußen als militärischer
Rückhalt Ende des 14. – Anfang des 15. Jahrhunderts
Grischa Vercamer
In diesem Artikel steht die Schicht der Freien im Ordensland Preußen im Mittelpunkt. Es
handelt sich dabei um einen Quellenterminus, der im Verwaltungsschriftgut des Deutschen
Ordens bewusst im Gegensatz zu den bäuerlichen Untertanen benutzt wurde. Die Unterscheidung war deswegen von Nöten, da die Freien keine (oder verschwindend wenige)
Abgaben in Form von Geld- oder Naturalzinsen zahlten, sondern Kriegsdienste leisten
mussten. Neben den Ordensrittern und den städtischen Aufgeboten generierte sich das Ordensheer zu großen Teilen aus dieser Bevölkerungsschicht; sie waren für den Orden in
Preußen von großer Bedeutung und spielten bei der Schlacht von Tannenberg eine wichtige
Rolle. Daher soll im Rahmen des übergeordneten Themas die Entstehung, Zusammensetzung, militärische Bedeutung und Zahl der Freien in Preußen untersucht werden.
Entstehung
Die Schicht der ‚Freien‘ entstand mit der Eroberung des Preußenlandes durch den Deutschen Orden im 13. Jahrhundert. Sie können in Große und Kleine Freie aufgrund ihres
Besitzes unterteilt werden, wobei die Grenze vom Deutschen Orden, der schon von Großen
und Kleinen Freien spricht1, nie ganz deutlich festgelegt wurde. Man kann aber aufgrund
bestimmter administrativer Verordnungen des Ordens davon ausgehen, dass Güter über 10
Hufen (1 Hufe zu 16,8 Hektar) bereits als Güter von Großen Freien angesehen wurden.2
Die Freien waren laut der grundlegenden, ersten Landesordnung, nämlich der Kulmer
Handfeste,3 zu militärischen Leistungen gegenüber dem Orden verpflichtet, die allerdings
1
2
3
So z.B. in: Das große Zinsbuch des Deutschen Ritterordens, hg. von PETER G. THIELEN, Marburg 1958
(weiterhin GZB), S. 7 für die Komturei Christburg: grose prussche dinste … geringe prussche dinste.
Vgl. GRISCHA VERCAMER, Siedlungs-, Sozial- und Verwaltungsgeschichte der Komturei Königsberg in
Preußen (13.-16. Jahrhundert), Marburg 2010, S. 255ff. (Kapitel über Freie): „Auch aufgrund ihrer in
den Urkunden festgeschriebenen Rechte kann man Kleine und Große Freie unterscheiden: Kleine Freie
besaßen grundsätzlich ein Wergeld von 8 oder 16 Mark, während Große Freie meist über ein Wergeld
von 30 oder sogar 60 Mark verfügten. Aufgrund der Gerichtsrechte unterschieden sich die beiden Typen
ebenfalls: Hatten die kleinen Freien häufig keine Gerichtsrechte oder nur die in den Quellen so genannten kleinen Gerichte, wodurch sie über kleinere Verbrechen richten durften, so hatten die Großen Freien
die Großen Gerichte und in Ausnahmefällen auch die Straßengerichte.“
Maßgeblich dazu: GUIDO KISCH, Die Kulmer Handfeste, Stuttgart 1931; Neuauflage: DERS., Die Kulmer Handfeste. Text, rechtshistorische und textkritische Untersuchungen nebst Studien zur Kulmer
Handfeste, dem Elbinger Privilegium von 1246 und einem Beitrag zur Geschichte des Begriffes „ius
176
Grischa Vercamer
in den jeweiligen Urkunden, die der Orden den Freien gab, noch genauer spezifiziert wurden.
Die Schicht der Freien war ethnisch nicht homogen, da sie sowohl Prußen, Deutsche,
vereinzelt auch Litauer und Polen umfasste. Freie lebten ausschließlich auf dem Land und
sie müssen aufgrund ihrer Urkunden strikt von der bäuerlichen Schicht unterschieden werden.4 Auch wenn die kulmischen – häufig nicht ganz zu Recht als ‚deutsche‘ bezeichneten
– Bauerngemeinden5 Urkunden bekamen, so bekamen sie diese als Gemeinschaft verliehen
und nicht ad personam, wie es bei den Freien der Fall war. Die unfreien, meist prußischen
Bauern bekamen normalerweise keine Privilegien, auch nicht als Dorfgemeinden, ausgestellt. Die Urkunden der Freien wiederum können als Vertrag zwischen dem Deutschen
Orden, vertreten durch den zuständigen Amtsträger, und dem jeweiligen Freien angesehen
werden. In ihnen werden Rechte und Pflichten sowie die Größe der Güter festgelegt. Die
Kopialbücher des 16. Jahrhunderts zeigen, dass viele Besitzurkunden aus dem 13. oder 14.
Jahrhundert weiterhin rechtliche Gültigkeit hatten.6 Es handelt sich also bei den Freien um
ein Strukturelement des Ordenslandes Preußen das mit Ferdinand Braudel als beständig im
Sinne der ‚longue durée‘ bezeichnet werden kann. Dennoch gibt es kaum Forschungsarbeiten zu diesem Stand;7 es verwundert weiterhin, dass die Schicht der Freien in
zeitgenössischen Quellen im Reich kaum mehr vorkommt,8 sondern eigentlich eher für die
4
5
6
7
8
teutonicum“, „Deutsches Recht“ im Deutschordensgebiet, in DERS., Forschung und Quellen zur Rechtsund Sozialgeschichte des Deutschordenslandes, Bd. 2, Sigmaringen 1978; FRIEDRICH EBEL, Kulmer
Recht – Probleme und Erkenntnisse, in: Beiträge zur Geschichte Westpreußens 8 (1983), S. 9-26.
Es gab allerdings hin und wieder auch Mischformen zwischen Freien und Bauern: So bat ein Freier den
Bischof vom Samland um Wechsel seiner Haken (unum ab antiquo liberum et alium censualem) zu einem anderem Ort. Dieser Bitte kam der Bischof nach und wechselte nun aber auch wieder einen
Diensthaken und einen Zinshaken ein (von dem einen musste er dienen und von dem anderen eben zinsen). Der Freie war also gleichzeitig mit einem Haken unfreier Bauer; das Recht hing am Boden und
nicht an der Person. – Preußisches Urkundenbuch (weiterhin PUB), hrsg. von RUDOLF PHILIPPI, CARL
WOELKY, u.a., Bd. 1-6, Königsberg, später Marburg 1882-2000; Bd. 1-3/1, ND Aalen 1961, hier Bd. 4,
Nr. 245, S. 216-217.
Vgl. VERCAMER, Komturei Königsberg (wie Anm. 2), S. 355 ff.
Die alten Handfesten wurden von der Verwaltung des jungen Herzogtums neu durchgesehen und erneuert. Es ist beachtlich, dass sie kaum verändert wurden: So z.B. eine Urkunde vom 28. Okt. 1396 für
Iwan, die am 16. Okt. 1528 für Sigmund Mummelin erneuert wurde. Es ging um 4 Haken zu prußischen
Recht, die mit Kriegsdienst (dienen mit pherden und wapenn) verbunden waren. – GStA PK, XX. HA
Historisches Staatsarchiv Königsberg, Ordensfoliant (OF) 107, f. 30r; sowie Ostpreußischer Foliant
(Ostpr. Fol.) 129, f. 331v. Es gibt zahlreiche Beispiele dieser Art.
Ich verweise auf meine eigenen Arbeiten zu diesem Thema mit weiterführender Literatur: VERCAMER,
Komturei Königsberg (wie Anm. 2), S. 255 ff.; GRISCHA VERCAMER, Der Übergang der prußischen
Stammeseliten in die Schicht der ‚Freien‘ unter der Herrschaft des Deutschen Ordens und der Kulturtransfer von der ‚deutschen‘ auf die prußische Kultur, in: Mittelalterliche Eliten und Kulturtransfer östlich der Elbe. Interdisziplinäre Beiträge zu Archäologie und Geschichte im mittelalterlichen Ostmitteleuropa, hrsg. von ANNE KLAMMT und SÉBASTIEN ROSSIGNOL, Göttingen 2009, S. 162-191; GRISCHA
VERCAMER, „Man darf die schlafenden Hunde nicht wecken. Die militärische, soziale und politische
Bedeutung der Freien im östlichen Ordensland Preußen für den Deutschen Orden“, in: Beiträge zur Militärgeschichte des Preußenlandes, hrsg. von BERNHART JÄHNIG (Tagungsberichte der Historischen
Kommission 25), Marburg 2010, S. 53-74.
Vgl. Chonrica regia Coloniensis, hg. von GEORG WAITZ (MGH SS rer. Germ. i. u. s. 18), Hannover ND
1978, a. 1172, S. 122: archiepiscopos, episcopos, abbates, duces, marchiones, palatinos, comites,
Die Freien im Deutschordensland Preußen
177
frühmittelalterliche, karolingische Zeit Parallelen zu ziehen wären9 – im Reich des 13.-15.
Jahrhunderts wird von ‚erbar manschaft‘ bzw. ritterschaft – in der heutigen Forschungssprache von ‚Niederadel‘10 gesprochen, die aber aufgrund ihrer sozialen Lebensumstände
durchaus mit den Freien in Preußen verglichen werden können.11 Am ähnlichsten scheinen
die Parallelen zu Polen zu sein; dieses wurde im Vergleich aber bislang kaum untersucht.
Auch in Polen waren es letztlich Dienstgüter, die zwar frei vom opus servile, also vom
Scharwerk waren, dafür aber Kriegsdienste leisten mussten.12 Auch in Polen gab es, ähnlich
wie in Preußen Mischstellen, die im 13. Jahrhundert sowohl bäuerliche Hufen als auch freie
Hufen umfassten.13
Der Name selbst, also ‚Freie‘ oder ‚liberi‘ ist etwas irreführend, da sie ihre Güter als
Dienstgüter besaßen und einen Anerkennungszins (so genannten Rekognitionszins) an den
Oberlandesherren, den Orden, zahlten14. Sie besaßen also, im Sinne der Definition Karl
9
10
11
12
13
14
liberos et ministeriales. Auch in den Urkunden werden sie genannt, aber eben um sie von der Ministerialität abzuheben, wie es letztlich bei der Kölner Königschronik auch der Fall ist; sie hatten oftmals noch
einen konkreten Titel oder eine Amtsbezeichnung. – Vgl. z.B. eine Urkunde Heinrichs des Löwen von
1156, wo die Zeugenliste liberi homines den ministeriales gegenübergestellt werden (Die Urkunden
Heinrichs des Löwen Herzogs von Sachsen und Bayern, bearb. von KARL JORDAN [MGH Laienfürstenund Dynastenurkunden der Kaiserzeit Bd. 1], Leipzig 1941, S. 48. Auch ebd., S. 38 laici liberi
Liudolfus comes (de Waltiggerod) [...]. Ein Graf, der aber unter die Sammelbezeichnung „liberi“ fällt.
In den karolingischen Kapitularen wurden a. 808 die liberi (Freie) den pauperes gegenübergestellt, und
a. 825 wurde von den liberi secundi ordinis gesprochen. Es werden also Kleine Freie gemeint gewesen
sein, die schließlich in den einheitlichen Bauernstand des 11. und 12. Jahrhunderts eingingen: Die armen Freien wurden vergrundholdet und die Unfreien „verbäuerlicht“. – Vgl. REINHARD WENSKUS,
Wort und Begriff „Bauer“, in: Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.Hist. Klasse, III, Nr. 89 (1975), S. 11-28, hier S. 21-22. – Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass
Wenskus sich auf ein Kapitular von Lothar I. zu dessen Italienexpedition (konkret nach Korsika) bezieht: Es geht in der Tat darum, dass es Freie gab, die aus eigenem Vermögen mitziehen konnten und
dann eben den liber secundi ordinis, der so arm war, dass er sich nicht aus eigenem Vermögen ausstatten konnte. Diese sollten sich zu Dritt oder Viert zusammentuen und einen Freien unterstützen bzw.
ausrüsten (vgl. Capitularia Regum Francorum [MGH Capit. 1], hg. von ALFRED BORETIUS, Hannover
1883 S. 325).
Vgl. JOACHIM SCHNEIDER, Spätmittelalterlicher deutscher Niederadel: ein landschaftlicher Vergleich,
Würzburg 2003, S. 146, für sächsische Niederadelige.
So konnte SCHNEIDER (ebd.) in seinem sechsten Kapitel (Kleinadel am unteren Rand und soziale
Fluktuation, S. 273-330) im 14. und 15. Jahrhundert durchaus sozialen Ab- sowie Aufstieg von Ehrbarmannenfamilien (die tatsächlich einen stark bäuerlich-landwirtschaftlichen Hintergrund hatten und
sich insofern nicht stark von den Freien des Arbeitsgebiets unterschieden) beispielsweise im Amt Dresden festmachen (S. 278-280). Er gelangt später zum Gesamtergebnis (S. 542), dass auch im späten
Mittelalter noch eine „vergleichsweise große Offenheit des Adels [gemeint ist der Niederadel, G.V.] vor
allem in Bayern, etwas schwächer in Sachsen konstatiert“ werden könne. Vgl. weiterhin SUSANNE
BAUDISCH, Überlegungen zur Migration des niederen Adels im 13. und 14. Jahrhundert. Das Beispiel
der Herren von Auligk und Profen, in: Festschrift Gerhard Billig, hg. von RAINER AURIG u.a., Beucha
2002, S. 373-385, hier S. 384, die von den nobiles und den „kleinen Herrschaftsträgern“ spricht. Es sind
kleine Geschlechter gemeint, die den großen Familien, hier den Wettinern, in Burggrafenämtern oder
ähnlichem dienten.
OSKAR KOSSMANN, Polen im Mittelalter, Bd. 2, Marburg/Lahn 1985, S. 187ff., bes. S. 194-196.
Ebd., S. 195.
Das hatte bereits KLAUS CONRAD, Der Deutsche Orden und sein Landesausbau in Preußen, in: Deutscher Orden 1190-1990, hg. von UDO ARNOLD, München 1997, S. 83-106, hier S. 99, festgestellt: „Ein
Dienstgut war kein Lehen im eigentlichen Sinn. Es fehlten die persönlichen Bindungen zwischen
178
Grischa Vercamer
Bosls, die dieser auf die Königsfreien im fränkischen Reich angewendet hat, eine „unfreie
Freiheit“.15 Der Orden befreite sie zwar vom Zehnt und Scharwerksleistungen, aber sie
mussten dem Orden dennoch die militärischen Dienste leisten, sonst konnten sie ihre
grundsätzlich vererbbaren Güter im schlimmsten Falle auch verlieren.16 Ganz bewusst
presste der Orden auch die vormaligen prußischen Adeligen17 in dieses Korsett, da er eine
von den Ordensherren gesonderte Adelsschicht vermeiden wollte, was ihm auch mit Erfolg
bis nach 1466 gelungen ist.18 Gerade wegen diesem ‚Korsett‘ gestaltete sich die Schicht der
Freien äußerst heterogen – so gab es auf der einen Seite den im 2. Prußenaufstand (126072) treu dienenden, zunächst unfreien, prußischen Bauern, auf der anderen Seite den ehemaligen prußischen Adeligen sowie deutschen Siedlungsunternehmer. Ersterer bekam vom
Orden aufgrund seiner Treue eine Handfeste (Urkunde) und somit seine Freiheit, obgleich
er kaum mehr als 2 Haken (Haken zu 11,2 Hektar) besaß, was also einer normalen, prußischen bäuerlichen Betriebsstelle entsprach. Er führte ein bäuerliches Leben in einem prußischen Dorf, welches sich grundsätzlich nicht so sehr von dem Leben der unfreien prußischen Bauernnachbarn unterschied. Die an zweiter Stelle Genannten besaßen hingegen
große Güter, auf denen sie Dörfer und weitere Dienstgüter gründeten.
Aus den Urkunden selbst ergibt sich zunächst der wichtige Treueaspekt zwischen
Freien und Orden.19 In den Urkunden des 13./14. Jahrhunderts ist also fast immer von fidelis noster/unser getreuer die Rede. Daneben kommen auch andere Termini wie miles/Ritter,
Ehrbare oder feodales vor, Begriffe, die sich auch in den Ständeakten der preußischen Tagfahrten wiederholen20 und davon zeugen, dass es schon eine soziale Ausdifferenzierung der
Schicht in dieser Zeit gegeben hat.21 In den Urkunden selbst wird also gar nicht von
‚Freien‘ – jedenfalls nicht in der personifizierten Form – gesprochen, aber in den Kopialbüchern und anderen Verwaltungsschriftgut des Ordens im 14./15. Jahrhundert findet man
immer wieder die Überschrift ‚Kleine Freie‘, sodass kein Zweifel daran bestehen kann, dass
diese Begrifflichkeit auch schon vom Orden verwendet wurde.22 Er muss sich wohl aus den
15
16
17
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19
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21
22
Lehnsherren und Lehnsmann. Der Dienst hing als Reallast an dem verliehenen Gut, an dem der Landesherr ein Obereigentum behielt.“
KARL BOSL, Freiheit und Unfreiheit. Zur Entwicklung der Unterschichten in Deutschland und Frankreich während des Mittelalters, in: VSWG 44 (1957), S. 193-219, hier S. 199.
Vgl. unten Anm. 27 und 43.
Vgl. VERCAMER, Übergang der prußischen Stammeseliten (wie Anm. 7), S. 185; neuerdings auch eine
polnische Dissertation zu diesem Thema: DARIUSZ ADAM SIKORSKI, Instytucje władzy u Prusów w
średniowieczu (na tle struktury społecznej I terytorialnej), Olsztyn 2010.
ASTRID KAIM-BARTELS, Herausbildung und Rolle des Adels im mittelalterlichen Preußen, in: Beiträge
zur Geschichte Westpreußens 17 (2000), S. 9-29, hier: S. 26.
Bestes Bespiel ist das Witingeprivileg, dass die treuen Geschlechter des Samlands durch den Orden
auszeichnete, ohne dass hiermit eine konkrete Privilegierung oder Landvergabe verbunden war. Es ging
also rein um die Ehrung bzw. das Memorieren ihrer Treue. – PUB 1,2, Nr. 718, S. 448). – Typisch war,
hier aus einer Urkunde von 1336, folgende Formulierung: [… ] ob fideli servicia sua nobis et ordini
nostro exhibita et adhuc inposterum exhibenda […]. – PUB 3/1, Nr. 60, S. 45.
Acten der Ständetage Preußens unter der Herrschaft des Deutschen Ordens (AST), 5 Bde., hg. von MAX
TOEPPEN, Leipzig 1878-86, ND Aalen 1973-74.
VERCAMER, Komturei Königsberg (wie Anm. 2), S. 259-280. Hier eine längere Analyse der Ständeakten.
So werden die Handfesten der Kleinen Freien in den Dörfern gesammelt in einen Folianten eingetragen:
dis sein der kleinen freien hantvesten abeschriften (OF 111, f. 129r). REINHARD WENSKUS, Über einige
Die Freien im Deutschordensland Preußen
179
in den Urkunden serienweise verwendeten Passus perpetuo, libere et hereditarie (später
‚frei, erblich und ewiglich‘) ergeben haben.
Militärische Bedeutung
Nach dem 17. Paragraphen der Kulmer Handfeste musste jeder Dienstmann, der mehr als
40 Hufen vom Orden besaß, mit plenis armis et dextrario operto, armis talibus conpetenti
et aliis duabus ad minus equitaturis – also mit ganzer Kriegsausrüstung und gedeckten
Streitross, das sich für solcherlei Bewaffnung eignete, sowie mindestens zwei weiteren
Reitern – den Orden auf seinen Kriegszügen begleiten.23 Wer jedoch weniger besaß, sollte
cum plata et aliis levibus armis et uno equo ad arma talia competenti – also in Platenrüstung und anderer leichter Bewaffnung sowie mit einem dazu gehörigen Pferd – seinen
Dienst leisten. Der Dienst war zunächst 1233 unbeschränkt (cum fratribus nostris in expedicione, quociens ab eis requisitus fuerit) und auch in der Urkunde vom 1. Oktober 1251
erscheint er noch in dem gleichen Wortlaut;24 allerdings war die Landesverteidigung hier
schon begrenzt auf das Kulmer Land, eingefasst durch die Flüsse Ossa, Drewenz und
Weichsel.25 In dem folgenden Paragraphen wird geregelt, dass jeder Mann, der ein Erbe
vom Orden verliehen bekommen hat, einen Anerkennungszins (Rekognitionszins) zahlen
soll, damit nie vergessen werde, von wem er das Gut hat – es handelte sich, wie bereits
erwähnt, eben um ein Dienstgut und nicht um ein Lehen.26 In Paragraph 20 schließlich wird
festgesetzt, dass der Dienst bei Verweigerung oder Abwesenheit des Dienstgutbesitzers
trotzdem geleistet werden müsse, indem von einem Ordenspfleger ein anderer von dem Gut
bestimmt werden sollte, der den Dienst übernimmt. Sollte der Dienstgutinhaber seinen
Diensten überhaupt nicht nachkommen, so erhob der Orden eine Geldstrafe, die bei Nichtzahlung mit langsamer Pfändung des Gutes verbunden war.27 Festzuhalten bleibt, dass der
23
24
25
26
27
Probleme der Sozialordnung der Prußen, in: DERS., Ausgewählte Aufsätze zum frühen und preußischen
Mittelalter. Festschrift zum 70. Geburtstag, hg. von HANS PATZE, Sigmaringen 1986, S. 413-434, hier
S. 432, will die Unterscheidung von Großen und Kleinen Freien schon im Christburger Frieden (1249)
sehen, da dort von Möglichkeiten, mit dem Rittergürtel geehrt zu werden, den Zugang zu kirchlichen
Ämtern zu erhalten usw. gesprochen wird, die nur Großen Freien zustanden. Diese Vergünstigungen
sind später tatsächlich bei zahlreichen Prußen der Ordenszeit nachzuweisen (vgl. ebd.).
KISCH, Kulmer Handfeste (wie Anm. 3), S. 120 (zitiert nach der älteren Kulmer Handfeste vom 28.
Dezember 1233).
In der Geschichtsschreibung zum Deutschen Orden hält sich gerade in Bezug auf Tannenberg das Urteil, dass die Kulmischen Dienste auch bei Angriffsexpeditionen nicht mehr dazu verpflichtet waren,
über Ossa, Drewenz und Weichsel hinwegzugehen. Dieses gilt aber laut der Originaltext nur für den
Verteidigungsfall.
KISCH, Kulmer Handfeste (wie Anm. 3), S. 121.
Item statuimus, ut quilibet homo hereditatem a domo nostra habens fratribus nostris solvat exinde unum
nummum Coloniensem vel pro eo, quinque Culmemses et pondus duarum marcarum cere in recognitionem dominii et in signum, quod eadem bona sua habet a domo nostra et nostre debeat iurisdictioni subesse.
Item si forte aliquis debitum obsequium suum, […], non inpederit et absens fuerit, provisor terre de
bonis absentis alium statuat loco sui, sic ut domus nostra sui iuris in hac parte sentiat nullatenus detrimentum. […] Si vero infra annum neglexerit emendare [die Geldstrafe zu zahlen, G.V.], domus nostra
se de omnibus bonis suis, donec satisfaciat ei de omnibus, intromittat. – KISCH, Kulmer Handfeste (wie
180
Grischa Vercamer
Orden hier deutlich die Pflichten der Dienstgutinhaber regelte und auch Sanktionen bei
Nichterfüllung näher ausführt.
In den konkreten Urkunden und im Verwaltungsschrifttum des Ordens lässt sich diese
40-Hufen-Grenze zwischen schweren Rossdienst und Platendienst jedoch nicht halten – des
Öfteren mussten Große Freie nur Platendienste leisten, während sie weit über 40 Hufen
vom Orden erhielten.28
In den Urkunden lautete die typische Dienstformel meist: [...] mit pferden und Wopen
noch des landes gewonheit sullen uns getruwlichin zu dynen seyn vorbunden zu allen herferten und lantwern nuwe husere zu buwen alde zu bessern adir zu brechen wenne wie
dicke und wo hin sie das von uns adir unsern brudern geheisen werde.29 Einerseits mussten
also spezifische Kriegsdienste geleistet werden, die man in schwere Reiterdienste, Platendienste30 und leichte, prußische Reiterdienste31 unterteilen kann, und andererseits musste,
sofern es die Urkunde erwähnte, was meist der Fall war, beim Bau von Burgen (Häusern)
oder Verteidigungsanlagen mitgeholfen werden.32
Der schwere Reiterdienst, der sehr selten im Ordensland Niederschlag fand,33 umfasste
also einen Ritter mit schwerer Rüstung und gerüsteten Hengst sowie mindestens zwei weitere Bewaffnete. Der Platendienst wurde mit leichter Bewaffnung und einem Harnisch, auf
dem eiserne Platten angebracht wurden, geleistet. Sven Ekdahl hatte schon 1964 darauf
hingewiesen, dass dieser Dienst im Laufe der Zeit im Interesse der Dienstleistenden von
einem leichten zu einem ‚mittelschweren‘ Dienst wurde, da die Ausrüstung im 14. Jahrhundert zum eigenen Schutz vor den feindlichen Armbrüsten verstärkt werden musste.
Auch wurde wohl die Pferdestärke pro Dienst, die ursprünglich nur auf ein Pferd festgesetzt
war – offenbar gewohnheitsrechtlich, denn die Handfesten schweigen dazu – hoch gesetzt.
Um 1400 finden wir einige Beispiele, dass Platendienstleistenden mehrere Pferde ersetzt
werden mussten, die sie in militärischen Auseinandersetzungen für den Orden verloren
hatten.34 Sie hatten also mehr als ein Pferd (im Extremfall sogar 10 Pferde) auf die Kriegsreise mitgenommen. Verwunderlich daran ist, dass dieses bislang nur für die Platendienste
Anm. 3), S. 123
28 Z.B. PUB 4, Nr. 231, S. 201-202: Hochmeister Heinrich Dusemer verlieh Nikolaus von Ryczkow und
syme geswysterege 124 Hufen im Land Sassen als Dienstgut mit kulmischen Recht, von welchem sie
mit zwey gewonlichin platendinsten […] in grose hervarte und in alle lantwer getruwelihin dinen.
29 OF 107, f. 15v (aus dem Jahr 1400).
30 […] vorpflicht sein zcuthunde einen redlichen tuchtigen platendinst mit hengst und harnisch noch dies
landes gewonheit. – OF 92, f. 10v (aus dem Jahr 1475).
31 […] cum eorum brunniis et ceteris armis Pruthenicalibus conswetis […]. – PUB 1,2, Nr. 499, S. 317318 (aus dem Jahr 1286/ erneuert 1356).
32 Für die Komturei Königsberg wurde das von mir untersucht: 488 prußische Reiterdienste mussten mit
Burgenbau geleistet werden, während nur 48 ohne Häuserbau geleistet wurden. Daraus ergibt sich ein
Verhältnis von 10:1. – Vgl. VERCAMER, Komturei Königsberg (wie Anm. 2), S. 321.
33 Das Große Zinsbuch des Deutschen Ritterordens, hg. von PETER G. THIELEN, Marburg 1958 (weiterhin
GZB), gibt für 1414 gerade mal einen Roßdienst an. Dass diese Angabe nicht ganz richtig sein kann,
wird durch das Kulmer Dienstbuch deutlich. Hier sind, wie SVEN EKDAHL, Über die Kriegsdienste der
Freien im Kulmerland zu Anfang des 15. Jahrhunderts, in: Preußenland 1/2 (1964), S. 2-14, hier: S. 12,
ausführt, insgesamt für alle Ämter im kulmischen Land immerhin 26 schwere Rossdienste aufgeführt,
was allerdings gegenüber 306 Platendiensten für dieselbe Region immer noch sehr gering ausfällt.
34 Ebd., S. 6, für die Platendienste aus dem Kulmer Land.
Die Freien im Deutschordensland Preußen
181
angenommen wurde, bestanden doch zwischen den prußischen Diensten zum Teil ebenso
enorme Größenunterschiede wie bei den Gütern. Es ist daher nicht anzunehmen, dass ein
Dienstgutbesitzer mit zwei Haken die gleichen Dienste leisten musste wie ein Dienstgutbesitzer mit 10 oder mehr Hufen. Schon für die pommerellischen, einfachen Dienste lässt
sich im Großen Zinsbuch der Dienst mit mehreren Pferden nachweisen.35 Mehrfach gibt es
aber auch für die prußischen Freien Beweise dafür, dass diese eine ‚Mehrleistung‘ zu
erbringen hatten.36 Ein normaler Dienst wurde von 2-4 Hufen geleistet. Alles was darüber
ging, musste auch dementsprechend mehr Personen/Pferde stellen.37 Selten – aber doch
immer wieder – kommen die Nachrichten, dass prußische Dienstgutinhaber mit größeren
Gütern ihren Reiterdienst mit ihren Hintersassen (cum hominibus suis) ausführen sollten.38
In einer Handfeste über 25 Hufen, die 1376 im Kammeramt Wohnsdorf an den Großen
Freien Peter von der Michelau ausgegeben wurde, steht beschrieben, dass der Orden sowohl von den bäuerlichen als auch von den freien Hintersassen (ire gebure und luyte) forderte, dass sie dem Orden bei den Reisen, Landwehr und Geschreien zu dienen hätten.39
Oftmals wurden diese Dinge, wie bei den Platendiensten eben nicht expressis verbis genannt, aber es scheint die Normalität gewesen zu sein.
Jedenfalls wurden die prußischen Dienste grundsätzlich mit leichter Bewaffnung und
einem speziellen kleinwüchsigen, stämmigen Pferd, welches in den Quellen ‚Schweik‘
genannt wird, geleistet.40 Eine typische prußische Bewaffnung bestand, neben der Rüstung,
35 Zumindest für das Pflegeamt Bütow im GZB, S. 14: 6 dinste, iclicher dynet mit 3 pferden.
36 Es gibt wenige Hinweise – so z.B. eine Urkunde aus dem Jahr 1292 für einen prußischen Freien namens
Leyten. Dieser sollte für 4 Haken seinen Reiterdienst mit zwei weiteren Männern und eben so vielen
Pferden leisten (PUB 1,2, Nr. 588, S. 368-69). Auch wurde 1519 in dem so genannten Musterungszettel
jedem Freien befohlen mit vier Pferden zu erscheinen (OBA, Nr. 22935, S. 337). Eine Urkunde des
Domkapitels von Samland zeigt, dass der miles Slowothon einen Bauern also Schildträger auf die
Kriegsfahrten mitnehmen sollte (qui clippeum suum in expediciionibus ducet). – PUB 3/2, Nr. 499, S.
383-384 von 1342.
37 Die Großen Freien Johannes und Dietrich Skomand (hier ein seltenes Beispiel von Privaturkunden im
Ordensland Preußen) gaben ein Dienstgut von 10 Hufen an einen Prußen aus: do von sullen dy vorgenannten und ere rechte erbin und nochkomeling uns und unsern erben und nochkomeling und zu vorderst unsern herren dis landis thun eynen dinst mit eynen hengiste und mit wopin noch dis landis gewonheit als andir colmener pflegin undir unsern heren gesessen zu allen reysen landtwern und
herverten. – OF 105, f. 104 v (o.D. – vermutlich um 1380); Winrich von Kniprode gab dem Nikolaus
Doring 90 Hufen zu 6 Reiterdiensten aus, wobei jeder Reiterdienst 15 Hufen enthielt. Es blieb Nikolaus
Doring überlassen, diese Dienste zu organisieren resp. die Dienste auszugeben. – OF 105, f. 122v-123r
(aus dem Jahr 1379); auch eine Urkunde über 8 Hufen für einen Prußen in Preußisch Holland ist diesbezüglich sehr deutlich (PUB 2, Nr. 732, S. 484-85, aus dem Jahr 1331): Hochmeister Luther von Braunschweig vergab die Güter mit der Dienstverpflichtung: [...] mit iren luthen under yn gesessen zcu pferde
unde zcu fusse wenne sy von uns adir von unsern brudern werden geheyschen.
38 PUB 3/1, Nr. 188, S. 136-137, aus dem Jahr 1338.
39 [...] und wellen das sy ire gebure und luyte selbin noczczen und bruchen sullen in Roysin sunder sy
selben ere gebure und luyte sullen uns und unsern brudern dynen in lantwern und geschreiy hegene zu
houwne und zu mache.
40 ANDRZEJ NADOLSKI, Die Forschungen über die Bewaffnung des Deutschen Ordens und seiner Gegner
in Ostmitteleuropa, in: Werkstatt des Historikers der mittelalterlichen Ritterorden. Quellenkundliche
Probleme und Forschungsmethoden (Ordines militares. Colloquia Torunensia Historica IV), hg. von
ZENON HUBERT NOWAK, Toruń 1987, S. 49-65, hier S. 54, macht darauf aufmerksam, dass diese Waffen baltischen Types nicht nur von den Prußen selbst verwendet wurden, sondern auch von den Ritter-
182
Grischa Vercamer
aus zwei Speeren, einem Schild und einem Sattelbeil.41 Die Bewaffnung der Prußen samt
der wendigen Pferde entsprach der Kriegsführung, wie sie bis 1410 vom Orden geführt
wurde, da bis zu diesem Zeitpunkt kaum längere Belagerungen oder offene Schlachten
stattfanden, sondern es sich eher um jahrjährliche Plünderungs- und Überfallzüge handelte,
wofür sich gerade die kleinen, wendigen Pferde als nützlich erwiesen.42
Die Kriegsdienste waren, wie schon in der Kulmer Handfeste vermerkt, bindend und bei
Nichteinhaltung dieser Leistung, so mutmaßte Wilhelm von Brünneck, konnte der Orden
die Güter einziehen.43 Jedoch stellt sich die Frage, wie oft das wirklich vorgekommen ist;
weder in den Briefen des Ordens, noch in den Urkunden lässt sich dazu etwas finden. Oftmals findet sich der Passus, dass der Orden vor einer zu großen Zerstückelung warnte und
darauf hinwies, dass bei Landteilung noch immer der gleiche Dienst geleistet werden
müsse.44 Wurde dieses nicht beachtet oder waren die Güter auf Dauer tatsächlich zu klein
für einen vollen militärischen Dienst, stattete der Orden einen Freien, der den Dienst nicht
leisten konnte – besonders im 15. Jahrhundert – lieber mit zusätzlichen Haken/Hufen aus,
als ihm das Dienstgut abzunehmen.45 Die weit verbreitete Ansicht, dass die Freien im Ver-
41
42
43
44
45
brüdern, von denen nur eine Minderheit einen vollständigen Plattenharnisch hatten. Besonders die
leichten Speere (sulice) sowie die Helme vom Typ „Pekilhube“ und auch die verbreiteten Reiterpavesen
(in den Rechnungsbüchern des Ordens als „prusche schilde“ bezeichnet) wurden von den Rittern übernommen.
So von FRIEDRICH BENNINGHOVEN, Die Gotlandfeldzüge des Deutschen Ordens 1398-1408, in: ZfO 13
(1964), S. 421-477, hier S. 463, für den Gotlandfeldzug von 1404 festgestellt.
SVEN EKDAHL, Horses and Crossbows: Two Important Warfare Advantages of the Teutonic Order in
Prussia, in: The Military Orders, Volume 2: Welfare and Warfare, hg. von Helen NICHOLSON, Aldershot 1998, S. 119-151. (Zugriff über die Internetversion: http://www.deremilitari.org/resources/
articles/ekdahl.htm am 13. April 2011).
So bei WILHELM VON BRÜNNECK, Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen, 3
Bde., Berlin 1891-96, hier Bd. 2, S. 51, der aufgrund von zwei Urkunden diese These aufstellte. Die
erste Urkunde ist vom Bischof von Ermland von 1353 (Codex diplomaticus Warmiensis oder Regesten
und Urkunden zur Geschichte Ermlands, Bd. 1-4, hg. von CARL PETER WOELKY u.a., Braunsberg-Leipzig 1860-1935, hier: Bd. II, Nr. 200, S. S. 199). Ein Pruße erhielt 7 Hufen für sich und seine Erben beiderlei Geschlechts mit der Einschränkung nisi ipsi per prodicionem aut infidelitatem sui domini aut
terarum graciam ipsis factam taliter annullarent. Eine Ordensurkunde ist vom Hochmeister Luther von
Braunschweig für die prußischen freien Einwohner des Dorfes Merahne (Kr. Stuhm) von 1334 erhalten
(PUB 2, Nr. 850, S. 572-573) ceterum volumus, quod invitis predicte ville inhabitatoribus iidem de bonis suis repelli non debent, nisi demeritis ipsorum exigentibus, vel si qui ipsorum fugitivi existerent vel
propria recederent malevolentia.
OF 105, f. 100v (zwischen 1382 und 1390): […] io das sy nicht mer wenne zwey teil sullen teilen uf das
sy uns doste bas mogin dinen; OF 105, f. 146r-146v (aus dem Jahr 1384): […] idoch mit sulcher
usnemunge unsers lenes up dese vorgenannt 3 hocken vom vorgenannten mylegden ader synen rechte
erben und nochkommlingen wordin geteylt also mach teyl do von worde alzo manch dinst sulde da von
gevallen; GStA PK, XX. HA, Pergament Urkunden (Perg. Urk.) XXXIV 13 (aus dem Jahr 1395): ouch
so sal noch endarf Andrews der selbe hube myt keyne siner Bruder teylen ap si teylunge begeren welden. Im Entwurf zu einer Landesordnung von 1434 steht deutlich, dass zersplitterte Güter wieder zusammengeführt werden sollten: Item was gutter usgegeben sint czu Meydeborgischen adir Pruschen
rechte czu eyme dinste, ap dieselben vorteilet weren adir wurden under brudere und vettere, ap imand
under en were, der es vermochte, das es im wurde gegunst, das her sie czu im widder losen mochte czu
eyme dienste. – Vgl. AST 1, Nr. 487 Art. 38, S. 629.
OF 107, f. 45r (aus dem Jahr 1396): […] zu hulfe synem gute uf das sy uns mogen gedynen deste bas
[…]. Der Empfänger bekam einen Haken mehr zu seinem Gut, ohne dass davon mehr Dienst verlangt
Die Freien im Deutschordensland Preußen
183
laufe des 15. Jahrhunderts an Bedeutung verloren, kann zumindest für die kleineren Freiengüter nicht bestätigt werden – hier wurden immer noch weitere Güter verschrieben oder
Güter ausgebaut, damit die Kriegsdienste weiterhin geleistet werden konnten.46
Zahlen der Freien in Preußen
Wir kommen nun zu der Zahl der Freien. Aufgrund des Großen Zinsbuches haben wir eine
recht verlässliche Quelle; für das Jahr 1414 und, wie schon Friedrich Benninghoven betonte,47 kann diese auch für die Zeit vor 1410 verwendet werden, da die wüsten Dienste
mitgezählt wurden, wir also in der Quelle alle Dienste (besetzt und unbesetzt) aufgeführt
bekommen.48 Leider hatte Friedrich Benninghoven seinerzeit eine falsche Berechnung
angestellt,49 sodass ich (vgl. Tab. 1 im Anhang) nochmals das gesamte Große Zinsbuch
durchgesehen habe. Auch hatte Benninghoven damals nicht der Unterschied zwischen den
kulmischen und den einfachen Diensten interessiert, jedenfalls hatte er ihn nicht aufgeführt.50 Dieser Unterschied ist aber für die Unterscheidung a) der Stärke und b) des
Selbstverständnisses der Dienstgutbesitzer sehr wichtig.
Laut meiner eigenen Berechnungen komme ich auf eine Gesamtstärke von ca. 4350 militärischen Diensten, die dem Orden in Preußen 1414 zur Verfügung standen. Die prußischen Dienste stellen dabei die Mehrzahl (ca. 2500 Dienste) dar, während andererseits nur
ein schwerer Roßdienst in der Vogtei Brattian festgestellt werden konnte.51 Polnische
Dienste kamen vor allem in den pommerellischen Ämtern vor. Interessanterweise unterteilten die Schreiber des Großen Zinsbuches eher in kulmische und prußische Dienste als in
wurde, sondern damit er wieder in die Lage versetzt sein würde, den Dienst überhaupt zu leisten.
Vgl. VERCAMER, Komturei Königsberg (wie Anm. 2), S. 328-239.
BENNINGHOVEN, Gotlandfeldzüge (wie Anm. 40), S. 439.
Bei der Komturei Balga ist das besonders auffällig, von 712 Diensten sind 44 wüst. – GZB, S. 4-5.
Für Elbing berechnete Benninghoven 947 Dienste und hat dabei fälschlicherweise zu den Freien ganz
deutlich auch die bäuerlichen Dienste (575 prusscher gebuwerisscher dinste – GZB, S. 3) hinzugezählt.
Vgl. BENNINGHOVEN, Gotlandfeldzüge, S. 440. Leider ist diese fehlerhafte Zählung durchgängig, so
dass darauf aufbauende Berechnungen, zumindest also bei seinen eigenen Beitrag stark revidiert werden
müssen. Das lässt sich sehr einfach belegen: Für die Komturei Elbing werden 261 Dienste (28 Kulmische und 233 prußische Dienste) und zusätzlich 576 prusscher gebuwerisscher dinste, die aber nicht als
militärische Dienste mitgerechnet werden dürfen, aufgeführt. Auf derselben Seite stehen nämlich auch
noch die Freien, die von ihrem Gut das sogenannte Schalwenkorn zur Unterstützung der Burgen und
schwächeren Komtureien im östlichen Gebiet, also vorwiegend die Komturei Ragnit, gaben. Es können
hier 214 Dienste aus den Kammerämtern zusammengerechnet werden. Diese entsprechen also ungefähr
den oben angegebenen 233 prußischen Diensten. Die bäuerlichen Dienste müssen diese Abgabe nicht
zahlen und daran wird deutlich, dass es sich eben nicht um militärische Dienste, sondern um unfreie,
bäuerliche Dienste handelt.
50 Gleichfalls scheinen die Schlussfolgerungen von Benninghoven daher auch problematisch, da er besonders die Zahlen der Dienste in Brandenburg und Balga falsch bzw. viel zu hoch veranschlagt hatte und
daher von einer Massierung der Dienste im östlichen Preußen spricht, die vom Orden so strategisch geplant war, um schnelle Eingreiftruppen gegen Litauen mobilisieren zu können. In der Tat ist zwar die
Zahl der prußischen Freien in den Komtureien Brandenburg, Balga und Königsberg sehr hoch, aber das
liegt wohl vor allem an der Siedlungsdichte der Prußen in diesen Gebieten.
51 Was aber nicht unbedingt der Realität entsprechen musste, vgl. Anm. 32.
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Grischa Vercamer
Platendienste (nur einmal für die Komturei Tuchel erwähnt) und prußische Dienste. Bei den
kulmischen Diensten (und auch magdeburgischen Diensten) müssen wir davon ausgehen,
dass ein Teil davon von Prußen gestellt wurde, welche ihre Güter zu kulmischen oder magdeburgischen Recht besaßen, aber ansonsten einen normalen ‚prußischen‘ Dienst leisteten.
Die oben genannte Gesamtzahl beinhaltet jedoch nicht – und das ist leider äußerst
problematisch – die Dienste der Hintersassen, sowohl von den Platendiensten wie auch von
den prußischen Diensten. Dieses Problem kann allerdings hier nicht gelöst werden, da dafür
die Gütergrößen aller Dienste im Ordensland gesammelt werden müssten, um sie anschließend mit den wenigen Urkunden ins Verhältnis zu setzen, wo konkrete Angaben zu den
Hintersassen gemacht werden. Nur soviel lässt sich hier sagen, dass die Zahl der Freiendienste höchstwahrscheinlich dann stark nach oben korrigiert werden müsste. Außerdem
wurden auch die bischöflichen Aufgebote nicht aufgenommen, da sie nicht im Großen
Zinsbuch verzeichnet sind.52 Jedenfalls kommen wir mit der uns nun zur Verfügung stehenden Zahl und den weiteren Berechnungen von Benninghoven in Bezug auf Ordensritter
selbst (auch die dienenden Ritter) und die Städteaufgebote auf eine ungefähre Zahl von
10.000 Bewaffneten in ganz Preußen.53 Hinzu kamen noch die Krüger, die oftmals
Transportmittel (Wagen oder Schlitten) stellen mussten. Im Verwaltungsschriftgut des
Ordens werden sie zwar ‚Zinshaftige‘ genannt, aber sie hatten sicherlich bei der Logistik
und Versorgung auf den Kriegsfahrten einen nicht geringen Anteil und sollten vor diesem
Hintergrund auch genannt werden, obgleich sie nicht unmittelbar zu der Freienschicht gehörten.
Angeführt wurden die Freien von eigenen Bannerführern oder auch von den Kämmerern,54 d.h. prußischen Amtleuten. Besonders die Kämmerer, denen ein kleines
Verwaltungsgebiet innerhalb der Komtureien zugeordnet war, funktionierten dabei als
Bindeglied zwischen den prußischen Freien und dem Orden.55
52 Wenn man grob schätzt, dass den vier preußischen Bischöfen 1/3 des Landes gehörte, so käme man bei
einer Zahl von 4350 Diensten für den Orden auf ungefähr 2175 Dienste im bischöflichen Teil, aber das
ist nur eine sehr grobe Schätzung, die überprüft werden müsste.
53 Nach BENNINGHOVEN, Gotlandfeldzüge, S. 438ff.: 1900 wehrpflichtige Bürger, ca. 550 Ordensritter,
ca. 3200 dienende Brüder.
54 Ein Brief des Ordensmarschalls an den Hochmeister: Er hatte die landkemerer Joesten zu Schoken und
Hans Thyme zu Cremiten bei sich. Diese sollten mit den dinstpflichtigen wegen des
Verteidigungszustandes gegen die Bündischen reden und so die Stimmung der Dienstgutinhaber erforschen: [...] wie sie vornemen und offenbarlich horten in den steten wilde und mancherley rede wie men
unsern heren und och die nicht im bunde weren welde obirfallen das sie och heymlich doruff gewarnet
waren. Weitere Kämmerer werden genannt: Stefan zu Pobethen, Packmir zu Germau, Girlach zu Wargen. – Vgl. GStA PK, XX. HA, Ordensbriefarchiv (OBA) Nr. 12276 vom 1. August 1453.
55 In einem Briefwechsel zwischen dem Vogt von Schamaiten und dem Ordensmarschall, der auf 14071409 datiert ist (OBA 1210), wird vom Vogt erwähnt, dass seine Kämmerer angewiesen seien, die litauischen Siedler aus Schamaiten, die nach Preußen ziehen wollten, ziehen zu lassen. Es ist eine sehr
anschauliche Quelle, da der Vogt den Marschall beinah ermahnt, gegenüber den litauischen Zuzöglingen großzügig zu sein, sodass diese nicht anstattdessen unter die Herrschaft von Großfürst Witowt ziehen: Ouch lieber her marschalk euwer ersamkeit sal wissen das dy lewthe [Litauer, G.V.] vor uns synt
gewest dy czu euch ken prewszen zyen wellen das hab wir yn dirloubet und wissen das wyr offenbar yn
allen landen gesayth und dirloubet han eynen yderinen zu zyen wo her welle ken prewszen adir ober dy
nawese. Sunder ane unser wissen nicht und ane unser kemerer wissen dor czu hab wyr yn allen landen
den kemerern offen brife gegeben das sy dy lewthe myt den brifen losen geen wo sy zu schaffen han uf
Die Freien im Deutschordensland Preußen
185
Aufgebot und Bezahlung
Die Aufgebote der Freien standen sehr schnell zur Verfügung, wie uns ein Rundschreiben
des Komturs von Balga um Pfingsten 1410 beweist. Das Rundschreiben hatte den Briefkopf von Dorf zu Dorf, wurde also sehr schnell in den einzelnen Dörfern kundgetan. Wissentlich sy allen erbarn luthe [also den Freien] wy wir here mere [deutliche Nachricht]
haben, das witaw mit eym grosen here in das lant will sprengen haite ader morne / hir umb
bitte wir fleislich das itlicher sich bereyte czu czu jagen wo man in heset wohin sich dy note
irvolget.56 Die Freien mussten sich also jederzeit bereithalten. In einem anderen Brief vom
29. Juni 1410, also zwei Wochen vor der Schlacht von Tannenberg, wird ein Landesaufgebot beschrieben: Alle Dienstpflichtigen sollten sich bis in wenigen Tagen bewaffnet in
Graudenz einfinden und mit Verpflegung für sich und ihre Pferde für 6 Wochen ab der
Grenze ausrüsten.57
Gegenüber den Söldnern waren hier Vorteile gleich in mehrerer Hinsicht gegeben,
wenn man sich vor Augen führt, dass der Orden für die Söldner in den Kriegsjahren 14091411 nach den Berechnungen von Jürgen Sarnowsky 226.000 Mark ausgegeben hat – wobei diese Summe wohl eher noch zu klein veranschlagt ist, wie der Autor selbst anmerkte.58
Pro Spieß, also einer Einheit von drei Söldnern, und Monat musste der Orden 11 bzw. 12
Mark im Jahr 1410 aufbringen.59 Das bedeutete für den Orden viel Geld und die Kosten
beispielsweise für die Ausfälle und Aufwendungen der Freien aus dem Kulmer Land
erscheinen daneben eher gering.60 Auch mussten die Söldner erst umständlich angeworben
werden und schließlich ins Land gelangen, was Zeit kostete, in der sich in der politischen
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60
das sy deste bas gewonen sunder buwes myt gesynde und myt habe under herczog wythawd zu zyen zo
horte man nymmerkayn mensche das do eynen willen hette hyn zu zyende dorumme lieber her
marschalk laset is euch am kleynen nicht schelen und thut yn en wenig deste me hulfe uf das yr me und
vele mochtet zu euch geczyen.
OBA Nr. 1278 aus dem Jahr 1410.
[…] das ir obir all in ewin gebitte allen dinstpflichtigen uffgebitten laszet das eyn jder man sich gancz
und gar bereite und mit aller zcugehorunge [...] das her am abende Margarethe der heiligen
Juncfrawen [13. Juli] neestkomende zcu graudencz bey uns sey. Der gleichen bestellet under den
gebuwern uff dem lande das von so vil huben eyn man ussgerichtet werden als ir das vor mit in bestalt
habt. Die Bauern sollten also auch in einer nicht weiter beschriebenen Gemeinschaft einen Mann stellen. Auch die Städte sollten unterrichtet werden. Alle sollten sich mit Verpflegung für 6 Wochen ab der
Grenze aufmachen. Außerdem sollte den Leuten Strafen bei Plünderung von Gütern auf dem Weg angedroht werden (So laset gebitten bey leibe und gutte das nymans an diszem zcoge die luwte an dem
wege hir im lande beschedig adir in das ire neme in kyner weise sunder was eyn ydermann nympt das
her das den luwten beczale.). – OBA 1323 (29. Juni o.D. [1410]).
JÜRGEN SARNOWSKY, Die Wirtschaftsführung des Deutschen Ordens in Preußen (1382-1452), Köln
1993, S. 406. Schon allein die zweite Hälfte des Jahres 1410 hatte den Orden 150.000 preußische Mark
gekostet, was ziemlich genau den im 1. Thorner Frieden vereinbarten Kontributionsleistungen von
100.000 Schok böhmische Groschen, die der Orden dem polnischen König zahlen sollte, entsprach. –
Vgl. ebd., S. 406, Anm. 29.
SVEN EKDAHL, Die Söldnerwerbungen des Deutschen Ordens für einen geplanten Angriff auf Polen am 1.
Juni 1410. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Schlacht bei Tannenberg, in: Beiträge zur Militärgeschichte
des Preußenlandes, hg. von BERNHART JÄHNIG, Marburg 2010, S. 89-102, hier: S. 101.
Die Tabellen, bei SARNOWSKY, Wirtschaftsführung (wie Anm. 57), Tab. 43, S. 400 sowie Tab. 44, S.
412, zeigen im Vergleich, wie gering die Kosten für Pferde und Ausgleichzahlung für die Kontingente
des Kulmerlandes waren.
186
Grischa Vercamer
Großwetterlage vieles ändern konnte. So konnte Sven Ekdahl zeigen, dass der geplante
Großangriff auf das Königreich Polen vom 1. Juni 1410 durch die Anwerbung von 1800
Söldnern von Ordensseite zwar gut geplant war, während der Bündnispartner, Sigismund
von Ungarn, aber aufs Neue Verhandlungen mit Vytautas und Jagiełło aufnahm und so den
ursprünglichen Angriffsplan unterlief.61 Der Orden musste die 1800 Söldner, die schon auf
preußischen Boden waren, also finanziell aushalten, während er weitere Söldner, die der
Thorner Komtur schon in Prag geworben hatte und nun zunächst wieder entlassen musste,
sogar an den polnischen König verlor.62
Nimmt man nun die Gesamtstärke der Söldner bei der Schlacht von Tannenberg und die
Zahl der Freien zusammen (6400 Mann und 4350 Mann), so kommt man auf ca. 10.700
Mann; aufgrund dieser Zahl – zusammen mit den Ordensrittern und ihren Dienern, bäuerlichen Truppen63 sowie den Kontingenten der auswärtigen Gäste64 – kommt man zu einer
ähnlichen Gesamtstärke des Ordensheeres wie es bereits oftmals zugrunde gelegt wurde:
ca. 12.000-15.000 Mann.
Vermutlich waren aber, obgleich wir über die Gesamtstärke der Freienkontingente bei
der Schlacht von Tannenberg nicht genau informiert sind, nicht alle Freien dort eingesetzt,
sondern wurden auch in Burgen und Verhauen als Mannschaft zurückgehalten. Sie hatten
nämlich neben der unmittelbaren Aufgabe der Heeresbegleitung auch noch weitere Aufgaben; den oben bereits angesprochene Burgenbaudienst. Interessant ist an diesen Diensten,
dass sie – bis auf das Kulmer Land (vgl. oben) – sowohl zeitlich als auch räumlich nicht
begrenzt waren. Es muss einen modus vivendi gegeben haben, der es den Freien erlaubte,
ihre Felder zu bestellen und ihre Familien zu ernähren. Dieser Modus lag zumindest vor
1410 bei ca. vier bis sechs Wochen im Jahr für einen Kriegsdienst.65 Weitergehende
Dienste wurden ihnen teilweise bezahlt, wie aus den Quellen hervorgeht. So sollten 1406
Freie in den nördlichen Komtureien (Memel und Ragnit) Dienste für den Orden verrichten
und bekamen dafür pro Woche zwischen 6,5 und 3,5 Skot Lohn.66 Bei der Pflicht, Burgen
zu bauen bzw. abzureißen oder auszubessern, die in den ersten Urkunden des 13. Jahrhun-
61 SVEN EKDAHL, Das Soldbuch des Deutschen Ordens 1410/1411, Teil II: Indices mit
personengeschichtlichen Kommentaren, Köln u.a. 2010, S. 7 – mit weiteren Verweisen.
62 Ebd., S. 8.
63 Vgl. Anm. 57.
64 Herzog Kasimir von Pommern-Stettin, Konrad der Weiße von Oels (in Schlesien) u.a., vgl. SVEN
EKDAHL, Die Schlacht von Tannnenberg, Quellenkritische Untersuchung, Bd. I: Einführung und Quellenlage Berlin 1982, S. 65.
65 Vgl. Anm. 56 sowie Regesta historico-diplomatica Ordinis Sanctae Marieae Theutonicorum (weiter:
Regesta II), Pars II, hg. von Walther Hubatsch 1948, Nr. 833, gleichzeitig Perg. Urk. XX 22 (von 1405):
[…] das rytende heer sal syn zu Insterburg an Sente Jacubs tage und von dannen 4 wochen kost haben;
Item ei schiff sollen sein zu labiaw am dinstage vor Jacobi und sollen haben von dem habe off 4 wochen
kost; Item man sal ufgebithen allen dinsten obir al das lant ane den man bas den schaden steht [...]; sowie Regesta II, Nr. 1319 (von vermutlich 1410): disse nachgeschr sullen freyen ken der Memel senden:
Marschall, Brandenburg und Balga je vier Freie iclichir sal haben schild und sper und uff 6 wochen
koste und sullen als bis sontag neestkomen vor obir acht tag zur memel sien.
66 OBA, Nr. 28525 (undat. – vermutlich 1406): Die jeweiligen Kammerämter sollten je ca. 10 Freie stellen. Die Wachdienste wurden ihnen bezahlt, so z.B. Pobethen fünf Freie sollen in der fulenwyke warten
jeder bekommt pro Woche 6,5 Skot; fünf sollen zu Nidden warten (gleicher Lohn); zwei sollen zu
Pylknppe warten (4,5 Skot pro Woche); zwei bei Rossiten (3,5 Skot).
Die Freien im Deutschordensland Preußen
187
derts sogar noch auf die Städte bezogen wurde (venire ad munitiones urbium et civitatum
iuvare cum ipsis … , sunt astricti)67, wird es sich v.a. um Aufseherpflichten über die unfreien Bauern oder auch Handwerker gehandelt haben.68 Das Urkundenmaterial sagt darüber leider wenig aus. Weiterhin wurden die Freien auch für allerlei Schutz- und Wartdienste eingeteilt.69 Außerdem wurden sie in der Wildnis für Kundschafterdienste und
ähnliches eingesetzt.70 Im frühen 15. Jahrhundert sind des Weiteren Beispiele überliefert,
dass Kleine Freie an äußeren Stützpunkten des Ordens angesiedelt wurden.71 Auch haben
sie auf den Burgen Dienst getan, wie schon Dusburg beschreibt quidam Pruthenus vigil in
castro Girdavie – ein Pruße tat Dienst auf der Burg Gerdauen.72
Die nicht deutlich festgelegten Grenzen der Dienste in den Urkunden wurden im 14.
Jahrhundert vom Orden ganz offensichtlich maßvoll gehandhabt, während vor allem in der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts so wie im 16. Jahrhundert wiederholt Beispiel für
Amtsmissbrauch und Beschwerdeschriften der Freien zu finden sind: Der unbemessene
Burgenbaudienst wurde von den Amtleuten, die zunehmend an den eigenen Verdienst
dachten, als willkommener Anlass genutzt, um die Freien zum Scharwerk zu zwingen.73
Einhergehend zu diesem Missbrauch emanzipierten sich nach den Städten auch die
Freien langsam vom Orden und es wurden zunehmend allgemeine Ständetage besucht.74
Diese Beteiligung, die sich regional stark unterschied, stellte aber eine eigene Problematik
dar, die hier nicht mehr besprochen werden kann. Jedenfalls können die Freien bis 1410
kaum ständisch gefasst werden. Erst danach werden sie langsam in dieser Hinsicht aktiv.
67 PUB 1/2, Nr. 148, S. 125-(für das Jahr 1261); PUB 1/2, Nr. 745, S. 463 (für das Jahr 1261).
68 MAX TOEPPEN, Die Zinsverfassung Preußens unter der Herrschaft des Deutschen Ordens, in: Zeitschrift
für Preußische Geschichte und Landeskunde 4 (1867), S. 207-232, 345-367, 611-627, 742-761, hier: S.
218.
69 OF 107, f. 131v-132r (für das Jahr 1388): 2,5 Hufen im Kammeramt Wargen [...] von allem scharwerk
usgenomen ires flyhuses und der kyrchen […]; OF 111 fol 214 (für das Jahr 1400): 4 Haken im Kammeramt Pobethen: […] uff das sie deste fleissiger synt dere strant zu bewirinn […]; OF 111, f. 230r230v (für das Jahr 1435): 3,5 Hufen im Ka. Waldau: […] sie sullen ouch ire zcewine wege und stege
gleich andern iren nockbaren aldo besessen halden machen und bessern [...].
70 OBA, Nr. 438 (um 1400): Brief des Pflegers von Insterburg an den Hochmeister über die Vorgänge in
der Wildnis, ausgekundschaftet durch prußische Freie. Vgl. auch Wegeberichte (OF 1a, f. 221ff. resp.
Scriptores rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit bis zum Untergange der
Ordensherrschaft, Bd. 1-5, hg. von THEODOR HIRSCH u.a., Leipzig 1861-74, ND Frankfurt/M 1965; Bd.
6, hg. von WALTHER HUBATSCH / UDO ARNOLD, Frankfurt/M 1968, hier Bd. 3, S. 662-711). Der Vogt
von Szamaiten schickte dem Obersten Marschall einen Brief, in dem er berichtete, dass nur wenige
Witinge und Schützen für Botengänge zur Verfügung ständen und diese öfters getötet würden (OBA,
Nr. 1216 um 1400). Auch bei diesen Personen wird es sich um prußische Freie gehandelt haben.
71 So z.B. sechs Kleine Freien (Urkunden alle 1396 ausgestellt mit exakt den gleichen Rechten und Verpflichtungen) in dem Dorf Dirsimikaymen im Kammeramt Kaymen – das Dorf wurde neu gegründet
(OF 107, f. 21r-23v). Auch bei der Burg Nordenburg wurde zwischen 1370 und 1374 10 Dienste an
Kleine Freie zu je drei Hufen vergeben (OF 105, f. 105r-105v). Es handelte sich hier wohl um militärische Schutzsiedlungen.
72 Peter von Dusburg, Chronicon terrae Prussie, hg. und übers. von KLAUS SCHOLZ / DIETER WOJTECKI
(Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 25), Darmstadt 1984, Chron. Suppl. 11, S. 544.
73 Vgl. VERCAMER, Komturei Königsberg (wie Anm. 2), S. 326-327.
74 Ebd., S. 259-281.
188
Grischa Vercamer
Fassen wir die Ergebnisse zusammen:
1. Wir haben es bei den Freien mit einer äußerst heterogenen Schicht zu tun, die daraus
resultiert, dass der Orden bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts keinen Adel neben sich duldete.75 Es waren hierunter sowohl große Siedlungsunternehmer, ehemalige
prußische Adlige, als auch kleine Bauern mit wenig Landbesitz gefasst. Da es kaum
nachweisbare Emanzipationsbewegungen vor 1410 gegeben hat, kann davon ausgegangen werden, dass diese Schicht dem Orden zur Zeit der Tannenberger Schlacht sehr treu
ergeben war.
2. Die Freien leisteten dem Orden jährlich unbezahlte Kriegsdienste zwischen 4-6 Wochen
und mussten auch weitere militärische Tätigkeiten übernehmen. Dabei ließ sich feststellen, dass auch die prußischen Dienstgutinhaber proportional zu der Gütergröße mehr
Pferde und Bewaffnete einbringen mussten, was bislang in der Forschung nicht thematisiert wurde. Die Freienkontingente standen dem Orden sehr schnell im Falle einer Landesverteidigung oder eines Kriegszuges zur Verfügung, bildeten also das militärische
Rückgrat des Ordenslandes Preußen.
3. Die Gesamtzahl der Dienste kann um 1400 ungefähr mit 4350 (laut Großen Zinsbuch
von 1414) beziffert werden, was allerdings nur mit größter Vorsicht mit der Anzahl der
wirklich zur Verfügung stehenden Krieger gleichgesetzt werden kann. Diese Zahl muss
aufgrund der Hintersassendienste und der bischöflichen Kontingente stark nach oben
korrigiert werden. Hier wäre eine detaillierte Untersuchung von Nöten.
4. Die Ausrüstung der Freien bis 1410 scheint der Kriegsführung angemessen gewesen,
danach wurden die Söldnerausrüstungen immer wichtiger.76
75 Der Terminus ,Adel‘ kommt erstmals am 24. Oktober 1500 in den Ständeakten vor (AST V, Nr. 156, S.
456).
76 Vgl. auch den Beitrag von DARIUS BARONAS in dem selben Sammelband für die Bewaffnung der
litauischen Gegenseite.
189
Die Freien im Deutschordensland Preußen
Anhang: Tabelle 1: Freiendienste im Preußenland um 1414 nach dem Großen Zinsbuch des
Deutschen Ritterordens 141477
Ordensämter
Elbing
Brandenburg
Balga
Christburg
Osterode
Marienburg
Vogtei Dirschau
Pflegeamt
Bütow
Vogtei Roggenhausen
Engelsburg
Danzig
Mewe
Tuchel
Schlochau
Schwetz
Königsberg
Memel
Ragnit
Leipe (Vogtei)
Papau
Graudenz
Schönsee
Gollub
Rehden
Strasburg
Thorn
Birgelau
Althaus
Nessau
Brattian (Vogtei)
Gebiet Rhein
Insg./versch. D.
Summe aller D.
RoßD
Platendienst
KD
28
45
145
54
152
Ma D
Gr Pr
D
33
44
21
Pr D
pol D
unspez.
D
233
400
712
168
133
3178
5
2
4
16
Schulzen
110
45
106
8
680
5979
16
9
216
1681
38
4
100
17
6482
53,5
4083
717
121
11
35
35
28
4
14
8
40
24
31
17
14
8
17
83
1
15
1
53
4356.5
680,5
77
21
2502
86
gegenüber dem Ergebnis von Benninghoven von 5872
663
273
Abk.: RoßD: Roßdienst; KD: Kulmischer Dienst; Ma D: Magdeburgischer Dienst; Gr Pr D: Großer Prußischer Dienst; Pr D: normaler Prußischer
Dienst; pol D: polnischer Dienst; unspez. D: unspezifizierter Dienst
77 GZB, S. 3-30.
78 Müssten mehr sein, da dort an der Quellenstelle dy ander culmissche steht, aber es wird keine Zahl
genannt.
79 Auch die Bischofsschulzen.
80 6 dinste, iclicher dynet mit 3 pferden.
81 Eigentlich: 32 prussche und polnissche dienste, do von iclicher mit eyme pferde dynet. – Ich habe sie
also genau geteilt.
82 [...] dor under sint 11, dy etwas gerethen syn.
83 Mit Bischofsaufgebot in dieser Region zusammen.